Angst - wen lässt sie kalt?

In den Medien ist das Thema längst ein Dauerbrenner. So hören wir in den Ö3-Nachrichten folgende Meldung:
Kinder haben vor drei Dingen am meisten Angst

  1. vor schlechten Noten
  2. vor einer Scheidung der Eltern
  3. vor dem Krieg gegen den Irak

Ängste nehmen zu. Im Kindergarten, in der Schule, im Alltag. Panikattacken plagen Tausende. Können wir diesem quälenden Megatrend wirksam begegnen? Dieser Artikel versucht, eine sinnvolle Perspektive anzubieten.

Das Brockhaus-Lexikon definiert den Begriff "Angst" so:

Das Wort Angst kommt vom lat. "angustus" und stellt einen Gefühlszustand oder -affekt dar, der einer unbestimmten Lebensbedrohung und Beklemmung entspricht, im Unterschied zur objektbezogenen Furcht. Die Angst kann, von allgemeiner Lebensangst bis zur Todesangst gesteigert, in unterschiedlichen Graden auftreten und ist von vegetativen Symptomen begleitet (erhöhte Pulsfrequenz, Schweißausbrüche, Zittern...)

Die Psychoanalyse (S. Freud) unterscheidet zwischen Realangst vor Gefahren der Außenwelt, Gewissensangst vor den Forderungen des Über-Ichs und Triebangst vor den Ansprüchen des Libido im Es. Der Ursprung der Angst wird im Erlebnis der Geburtsangst und der Trennungsangst des Kindes gesehen. Im Rahmen der Lerntheorie wird heute auch von der Erwerbbarkeit von Angstreaktionen nach dem Muster der Konditionierung ausgegangen. Abnorme Gewissensangst (Schuldgefühle) und Triebangst sind Symptome einer Neurose (Erwartungsangst, Zwänge, Phobien).
Der Bogen spannt sich also von der Lebensangst über die Flugangst und Angst vor Spinnen hin zu Todesangst.
Entscheidend an dieser Stelle ist der Umgang mit all diesen Formen von Angst. Viele Menschen versuchen zu fliehen oder sie zu vermeiden. Das schaut dann so aus, dass sie gar nicht mehr außer Haus gehen, weil sie ja Angst haben, es könnte ihnen etwas passieren oder sie haben Angst, unter Menschen zu sein.

Klarerweise kann Angstvermeidung aber keine Lösung sein, denn je mehr ich versuche sie zu verleugnen oder zu vermeiden, desto mehr wird sie mich im Griff haben. Die logische Folge sind:

Dabei gibt es durchaus gesunde Angst, die zu unserer "Grundausstattung" gehört, Angst, die uns in schwierigen Situationen hilft, bewahrt, rettet. Wenn ich bei einer Skitour im freien Gelände die Einfahrt in den Hang nicht riskiere, dann rette ich möglicherweise Menschenleben. Vor dieser Art von Angst brauche ich keine Angst haben, ich kann zu ihr stehen, erst recht, wenn ich auch noch Verantwortung für andere Menschen trage.
Wenn aber schon der Gang vor die Wohnungstür zu einem psychischen Problem wird und der Gang ins Postamt vor lauter Menschenfurcht zur Qual, dann hat das nichts mehr mit "gesund" zu tun. Und es gibt nicht wenige Menschen, die mit genau solchen oder ähnlichen Schwierigkeiten täglich konfrontiert sind. Das Gegenteil, die Klaustrophobie, macht die Sache nicht besser.
Die Tatsache, dass Psychiater alle Hände voll zu tun haben, beweist, wie akut die psychische Lage der Nation ist. Aber erfahren wir Heilung, Befreiung, wenigstens Linderung von diesen "ungesunden" Ängsten?

Die "Kleine Fabel" von Franz Kafka mag die Situation vielleicht am besten beschreiben, in der sich viele Menschen befinden:

"Ach", sagte die Maus, "die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, dass ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, dass ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, dass ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe." - "Du musst nur die Laufrichtung ändern", sagte die Katze und fraß sie.

Wir sehen in dieser Fabel übrigens deutlich, dass oft sogar im Augenblick des Glücks und der Freiheit eine gewisse Angst mitschwingt, die Angst nämlich, dass das Glück unerträglich wird, dass wir es nicht meistern können.

Nun, wo liegt die Ursache aller Ängste, wo finden wir die Urangst? Viele haben es ja schon unternommen, ihr auf die Spur zu kommen, ich verweise hier beispielsweise auf Sigmund Freud, der den Ursprung der Angst im Geburtstrauma gesehen hat.
Lange vor Freud gab es allerdings eine Geschichte, die m.E. entscheidenden Aufschluss über Ursprung und Ursache aller Ängste gibt; und diese Geschichte finden wir im ersten Buch der Bibel, in der Genesis, wo es heißt:

Als nun das Weib sah, daß von dem Baume gut zu essen wäre und daß er eine Lust für die Augen und ein wertvoller Baum wäre, weil er klug machte, da nahm sie von dessen Frucht und aß und gab zugleich auch ihrem Mann davon, und er aß. Da wurden ihrer beider Augen aufgetan, und sie wurden gewahr, daß sie nackt waren; und sie banden Feigenblätter um und machten sich Schürzen. Und sie hörten die Stimme Gottes, des HERRN, der im Garten wandelte beim Wehen des Abendwindes; und der Mensch und sein Weib versteckten sich vor dem Angesicht Gottes des HERRN hinter die Bäume des Gartens. Da rief Gott der HERR dem Menschen und sprach: Wo bist du? Er sprach: Ich hörte deine Stimme im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum verbarg ich mich! (Gen 3,6-10; Übersetzung: Schlachter)

Der Mensch lebte ursprünglich in vollkommener Harmonie mit Gott, dem Mitmenschen (in dem Fall Eva, seiner Frau) und sich selbst. (Was wünschen wir uns heute mehr?). Doch diese Harmonie wurde jäh gestört, ja vernichtet, und zwar nicht etwa von außen, wie man meinen könnte, sondern von innen, von einer Entscheidung des Menschen, die dieser in seinem Herzen traf. Und welche Folgen hatte diese Entscheidung!

Der Mensch tat etwas Verkehrtes, fürchtete sich (hatte Angst) und versteckte sich (genau das, was heute Kinder genauso noch machen, wenn sie etwas angestellt haben).

Aber die Geschichte des Menschen geht weiter und findet ihren Höhepunkt nicht etwa im Gericht Gottes über die Menschen, sondern in der Offenbarung Gottes als Mensch, in Jesus Christus. Und weil er ganz Mensch war, kannte er Angst und war täglich mit Angst und Not konfrontiert. Lesen wir Lukasevangelium 8,40-48:

Als aber Jesus zurückkam, empfing ihn das Volk; denn sie warteten alle auf ihn. Und siehe, es kam ein Mann, namens Jairus, der war ein Oberster der Synagoge; und er warf sich Jesus zu Füßen und bat ihn, in sein Haus zu kommen. Denn er hatte eine einzige Tochter von etwa zwölf Jahren, und diese lag im Sterben. Als er aber hinging, drängte ihn die Volksmenge. Und eine Frau, die seit zwölf Jahren den Blutfluß gehabt und all ihr Gut an die Ärzte gewandt hatte, aber von keinem geheilt werden konnte, trat von hinten herzu und rührte den Saum seines Kleides an; und auf der Stelle kam ihr Blutfluß zum Stehen. Und Jesus fragte: Wer hat mich angerührt? Da nun alle leugneten, sprachen Petrus und die mit ihm waren: Meister, das Volk drückt und drängt dich. Jesus aber sprach: Es hat mich jemand angerührt; denn ich spürte, wie eine Kraft von mir ausging! Als nun die Frau sah, daß sie nicht unbemerkt geblieben war, kam sie zitternd, fiel vor ihm nieder und erzählte ihm vor dem ganzen Volke, aus welchem Grunde sie ihn angerührt habe und wie sie auf der Stelle gesund geworden sei. Er aber sprach zu ihr: Tochter, dein Glaube hat dich gerettet; gehe hin in Frieden!

Da war eine Frau, die hatte schon 12 Jahre lang Angst, weil sie scheinbar unheilbar krank war, und als sie nach langem Suchen endlich jemanden gefunden hatte, der sie heilen könnte, hatte sie auch Angst, ihre Geschichte könnte auffliegen, bekannt werden. Wer zeigt schon offen seinen inneren Zustände anderen Menschen? Als Jesus aber merkt, dass seine Kraft auf einen anderen Menschen überging, sagt er: DEIN GLAUBE HAT DICH GERETTET, GEHE HIN IN FRIEDEN!

Ist das nicht eine frohe Botschaft! Auch heute noch geht es jedem Menschen, der aufrichtig mit Jesus in Berührung kommt, so, wie dieser Frau: Er wird geheilt von Leiden, Schmerzen, Ängsten, früher oder später, ganz gewiss. Und der oben angesprochene Urzustand wird Schritt für Schritt wiederhergestellt. Voraussetzung dafür ist aber eine echte und aufrichtige Hinwendung zu dem, von dem wir uns im Misstrauen und Unglauben abgewendet haben. Wir müssen es wie die Frau in der Geschichte vom Lukasevangelium machen: Mit Jesus in Berührung kommen. Das Ergebnis ist: Frieden.

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Manuskript des Vortrags vom 25.2.2003 im Evangeliums-Zentrum (J.Z.)